Schonungslos und mutig: „Sophie Scholl“ berührt tief

Die Theater-AG des Gymnasiums Walldorf führte das Stück „Sophie Scholl – Die letzten Tage“ in der Astoria-Halle auf
Von Fabian Santner (der RNZ entnommen)
scholl
Walldorf. „Es war sinnlos“, sagen die Geister von Christoph Probst und Sophie und Hans Scholl am Ende des Stückes. Sinnlos, weil der Krieg weiterging, weil die Studenten nicht aufstanden, weil niemand Notiz und Anteil nahm. Anfang 1943 war Stalingrad verloren, doch die Opferbereitschaft noch immer zu groß.
Mit ihrem Stück „Sophie Scholl – Die letzten Tage“ beeindruckte die Theater-AG des Gymnasiums Walldorf ihr Publikum in der Astoria-Halle. Das Stück, in dem es um drei Widerstandskämpfer der „Weißen Rose“ geht, die von der Nazi-Diktatur hingerichtet wurden, war nicht angenehm. Bewusst habe man auch auf die Pause verzichtet, so Uli Frefat, der zusammen mit Lena Müller die Leitung der Theater-AG innehat. Das Publikum wurde emotional mit eingeschlossen in Sophie Scholls Zelle, in die letzten Tage ihres Lebens, in ihre Erinnerungen und Empfindungen. Gleich drei Schauspielerinnen stellten Sophie dar, eine die „frühe“ Sophie, die noch aufrecht gegen die Diktatur kämpft, ein wenig naiv, aber nicht auf den Mund gefallen. Im Verhör zeigt sie den Schergen des Regimes, dass sie die Wahrheit genauso gut verdrehen kann wie deren „Führer“.
Dann zeigt sie sich drastisch verwandelt: als glühende Kämpfernatur. Sie leistet Widerstand gegen den Unverstand, stellt sich dem scheinbar doch so offensichtlichen Wahnsinn entgegen, der das Deutsche Reich befallen hat. Intelligent argumentiert sie mit ihren Häschern, die sich am Ende in Parolen flüchten müssen. Und sie zeigt ihre ganze Willensstärke, als sie die „goldene Brücke“, die ihr der Gestapo-Mann baut, um ihr einen Weg aus der Zelle zu ebnen, ausschlägt und sich dem Opfer ihrer Gefährten anschließt.
Und dann ist da noch die gefühlvolle Seele der Sophie Scholl, die ihrem lieben Fritz, einem Soldaten an der Front, Briefe schreibt, die von der inneren Zerrissenheit, ja von der Absurdität dieser ganzen Zeit überhaupt zeugen und die von den Schauspielern eins zu eins wiedergegeben wurden. Fritz, der sich als guter, überzeugter Soldat sieht, der nicht weiter denkt als bis zur nächsten taktischen Herausforderung oder bis zum Wiedersehen mit seiner Liebsten, an die er auch angesichts der Vernichtung der 6. Armee an der Wolga noch immer glaubt, entfernt sich am Ende immer weiter von Sophie. Ihre Briefe, die zu Anfang wie eine Umarmung quer über das besetzte Europa hinweg wirkten, werden distanzierter, die beiden verstehen einander nicht mehr, entfremden sich.
Die „Weiße Rose“ verteilt insgeheim Flugblätter, in denen sie zum Widerstand gegen das NS-Regime aufruft. Als sie es in der Universität versuchen, werden die erwischt. Das Stück berührt tief, am Ende schmerzt es sogar, dem Treiben auf der Bühne zu folgen. „An den anderen Tagen haben auch einige Zuschauer geweint“, erzählten die Darstellerinnen Lara Sauer und Lisa Hack, die Roland Freisler, der das Urteil verkündet, und Fritz Hartnagel, Sophies Freund, spielten, nach der Vorstellung. Die Inszenierung hat bewusst gesetzte Längen, denn die Verhöre ziehen sich, die langen Nächte in der Zelle ebenso, die dazu so kontrastreichen Briefwechsel mit Fritz, gespielt als Dialog, steigern die Dramatik des Geschehens weiter.
Ja, Theater kann auch unangenehm sein, muss unangenehm sein, denn nur so kann man dem Andenken jener jungen Menschen gerecht werden, die, vom Regime als Verräter an der Gemeinschaft betitelt, sich doch vor allem für die Gemeinschaft einsetzen wollten, als sie ihre „Taten“ begingen.
Nein, es war nicht sinnlos. Es war, aus heutiger Sicht, vielleicht naiv, von Idealismus getrieben, aber in einer Welt ohne freie Presse, Nachrichten oder Internet, wo nur das eigene Gefühl, der eigene, freie Verstand als Grundlage für Denken und Handeln dienen können, war es außergewöhnlich, bewundernswert und notwendig. Dies alles kommunizierte „Sophie Scholl – Die letzten Tage“ schonungslos und gekonnt, mutig und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, ohne das Hakenkreuz und den Hitlergruß zu zensieren, durchaus einer größeren Bühne würdig.