Vom Waisenhaus auf die große Bühne: Das Gymnasium Walldorf zeigte das Musical „Annie“

Für Annie ist die Sache klar: Ihre Eltern sind jung, klug, sammeln Kunst und trinken Kaffee. Nahezu perfekt eigentlich, nur ein Fehler trübt das Bild: Sie haben Annie abgegeben. So war es zu sehen auf der Bühne des Gymnasiums Walldorf, wo das beliebte Broadway-Stück „Annie jr.“ am 9. und 10. Juli zur Aufführung kam. In der jeweils übervoll besetzten Aula präsentierte die Musical-AG die bewegende Geschichte des Waisenmädchens mit Spiel, Tanz und vor allem wunderbarem Gesang.

Eröffnet wurde der Abend von Thomas Weigel und seinem Orchester aus vielen SchülerInnen und Lehrkräften, die als Ouvertüre ein Medley der bekanntesten Stücke aus „Annie“ zum Besten gaben. Dann ging es direkt in die raue Realität eines New Yorker Waisenhauses in den 1920er-Jahren: Die Mädchen dort haben wenig zu lachen, dafür umso mehr zu arbeiten. Sie sollen den Boden schrubben, bis er glänze „wie die Spitze des Chrysler-Buildings“, so die lieb- und freudlose Heimleiterin Miss Hannigan – dargestellt von der beeindruckend stimmgewaltigen Joanna Finny, die für „Little Girls“ tosenden Applaus erntete. Kein Wunder, dass Annie sich immer wieder der Hoffnung hingibt, ihre Eltern kämen eines Tages zurück, um sie abzuholen. Sie beschließt, sich auf die Suche nach ihnen zu machen. Das Blatt scheint sich zu wenden, als der freundliche und ziemlich einflussreiche Milliardär Oliver Warbucks (klasse: Lucas Marincei) ein Kind aus dem Waisenhaus einlädt, um bei ihm zu Hause Weihnachten zu feiern. Die Wahl fällt auf Annie, die den Workaholic und seine Sekretärin Grace (Sara Beck) alsbald verzaubert und damit eine Reihe von Ereignissen lostritt.

In der Rollen der Waisenkinder brillierten: Mira Demir, Rebekka Langer, Ritu Nair, Esther Peng Medeiros, Ria Radpour, Luisa Sanchez Penedo, Rithu Senthil, Maria Stump da Silva, Michaela Tchakarova.

Mit viel Liebe zum Detail, Hingabe und Talent erweckten über 40 Kinder aus allen Jahrgangsstufen mit ihren Lehrerinnen die Geschichte von Annie zum Leben. Allen voran Janet Finny aus der Klasse 5d, die mit ihrer zauberhaften Stimme die Titelrolle so berührend warmherzig interpretierte, dass im Zuschauerraum so manches Taschentuch gezückt wurde. Dazu gab es flotte Tanzstücke, wunderschönen Chorgesang, Schauspiel und sogar eine artistische Einlage, als Mona Gröne, im Stück Bösewicht Rooster, einen Backflip hinlegte und Komplizin Lily (Elody Gonzalez-Laipieras) über die Bühne wirbelte. Besonderer Liebling war der Vierbeiner „Kelly“, der als Streunerhund „Sandy“ einen Auftritt mit Annie hatte.

Janet Finny als Annie

Ohne Vorbereitung ist so eine Aufführung nicht möglich: Seit dem Casting zu Beginn des Schuljahres gab es wöchentliche Proben, zusätzlich eine mehrtägige Probenfahrt nach Weikersheim und weitere Treffen an den Wochenenden. Für die Bühne wurden eigens epochengetreue Möbel und Requisiten angeschafft, was der Verein der Freunde, der in der Pause Getränke ausschenkte und sich jederzeit über neue Mitglieder freut, großzügig unterstützt hatte. Der Einsatz hat sich gelohnt: Die Zuschauer waren von der ersten Szene an begeistert und spendeten immer wieder kräftigen Applaus. Beim bekannten „It’s the hard knock life“, zu dem die stilecht kostümierten Waisenmädchen mit ihren Putzeimern hämmerten und tanzten, hielt es einige Zuschauer kaum auf den Plätzen. Das eingängige „Tomorrow“, das mehrfach zu hören war, dürften viele noch auf dem Nachhauseweg im Ohr gehabt haben, ebenso wie Annies sehnsüchtiges „Maybe“. So begleitete das Publikum Annie auf der Suche nach ihren Eltern bis zu einem überraschenden Finale.

Nach minutenlangem Applaus mit Standing Ovations, ergriff der stellvertretende Schulleiter Sven Brandt das Wort. Er bedankte sich bei allen Beteiligten, vor allem bei den SchülerInnen auf der Bühne, für die großartige Leistung und bat die drei engagierten Lehrerinnen nach vorne, die die Produktion auf die Beine gestellt hatten, um sie mit Blumensträußen zu beschenken: Anita Teichmann (Idee, Musik, Schauspiel, Choreographie), Jasmin Ziegler (Schauspiel, Choreographie) und Liv Albrecht (Gesang, Chor). Frau Ziegler nutzte die Gelegenheit, die große Schar hinter sich zu beglückwünschen: „Von euch wird man noch viel hören, so talentiert, wie ihr seid!“ Etliche Zuschauer nahmen das wörtlich und kamen am zweiten Abend gleich noch einmal.

Ein großes Dankeschön gab es auch für Thomas Weigels Technik-AG, die etliche Kabel verlegt, für Ton und Licht gesorgt und alles durchgeplant hatte, um einen reibungslosen Ablauf zu ermöglichen, außerdem für die Hausmeister, die Schulleitung, das Sekretariat und nicht zuletzt für alle, die das Team durch das Ausleihen diverser Requisiten – vom Kino-Klappstuhl über ein altmodisches Telefon bis hin zum Weihnachtsbaum – unterstützt hatten. Zu guter Letzt bahnten sich die DarstellerInnen ihren Weg durch die Menge und ließen sich vom Publikum feiern. Viele von ihnen versprachen, bei der nächsten Musical-Produktion wieder dabei zu sein, so auch Annie-Darstellerin Janet. Ob sie einmal professionelle Sängerin werden möchte? Doch die jüngere der Finny-Schwestern hat offenbar schon Vorbilder am Gymnasium Walldorf gefunden: „Nein, nur als Hobby. Ich werde Lehrerin für Musik, Englisch und Mathe!“

Martina Maier

Joanna Finny als Miss Hannigan

Lucas Marincei als Oliver Warbucks und Sara Beck als Grace

Mona Gröne als Rooster, Elody Gonzalez-Laipieras als Lily und Joanna Finny als Miss Hannigan

Das ganze Ensemble